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Oh wie schön ist China

Im April war ich für zwei Wochen in Wudang Shan und Peking. Für alle die, die meiner Chinaanekdoten noch nicht überdrüssig sind, habe ich einen kleinen Reisebericht verfasst.

1. Tag: Weisser Kranich fliegt nach Peking

Achtzehn Wagemutige waren wir, die sich aufmachten, in zwei Wochen die Geheimnisse der chinesischen Kultur zu entschlüsseln. Nicht jedes Rätsel konnte von uns entschlüsselt werden. Die Fragen, was das für Gewürze im Essen sind und wie zum Teufel es chinesischen Fussgängern gelingt, zu überleben, sollten uns bis zum Ende der Reise begleiten.

Wir flogen via Amsterdam nach Peking, übernachteten dort in Flughafennähe, um am nächsten Morgen nach Xiangyang weiterfliegen zu können. Peking begrüsste uns mit dem typischen Smog. Während wir auf den Hotelbus warteten, beobachteten wir gebannt den Strassenverkehr.


Auszug aus dem Fragenkatalog der chinesischen Fahrprüfung:
Sie fahren mit Ihrem Geländewagen deutscher Produktion mit 80 Kilometern pro Stunde. Vor Ihnen fährt ein Motorrad mit 45 km/h. Was machen Sie?
A: Ich hupe und überhole ihn.
B: Ich hupe ganz oft und überhole ihn.
C: Nichts, denn der Verkehrsteilnehmer ist schwächer als ich.
Richtig sind die Antworten A und B und C.“

 

China1_HEFür Fussgänger wird auch auf dem Zebrastreifen nicht gebremst. Blinker sind überflüssig und Rotlichter eine unverbindliche Empfehlung. Der Rechtsvortritt wird dann beachtet, wenn von rechts ein stärkeres Fahrzeug kommt. Gleiches gilt für den Linksvortritt.

Ich deponierte das Gepäck im Hotel und gönnte mir nach der langen Reise eine Fussmassage. Meine Füsse dankten es mir und trugen mich ins Restaurant. Auf dem Programm steht Hot Pot, das originale Fondue Chinoise. Der grosse Unterschied zum Fondue Chinoise, wie wir es kennen ist, dass das Fleich, Gemüse und Tofu in den Topf geworfen wird und jeder wieder etwas heraus nimmt. Müde und satt lege ich mich schlafen.

2. Tag: In die Wudang-Berge zurückkehren

Nächsten Tags flogen wir früh nach Xiangyang, dem Detroit Chinas, hier ist die chinesische Automobilindustrie zu Hause. Auf breiten frisch asphaltierten Strassen fahren wir durch den Nebel und Regen. Unser Weg führt an Baustellen vorbei. Links und rechts der Strasse entstehen Industrieanlagen. Dazwischen bewirtschaften Bauern ihre Felder. Die Strassen sind leer. Manchmal überholen wir Lastwagen, auf denen Pickups chinesischer Produktion gestapelt sind. Wir fragen uns, weshalb sie nicht herunterfallen.

Die Baustellen werden weniger, die Reisfelder werden mehr. Nach zwei Stunden Busfahrt nähern wir uns Wudang City. Strömender Regen stürzt vom Himmel herab und bildet Bäche in den Strassen. Hier erwarten uns Ismet Himmet und seine Schüler von WDP. Gestärkt von unserem Mittagessen fuhren wir gemeinsam mit dem Linienbus in die Berge. Nachdem uns eine chinesische Reisegruppe den ersten Linienbus weggeschnappt hat, werden wir von unseren Gastgebern in die chinesische Tradition des Drängelns eingeführt. Tuishoi, Chi Sao, chinesisches Ringen haben alle ihre Ursprünge im Drängeln. Beim nächsten Linienbus bleiben einige demonstrativ vor dem Eingang stehen, bis all unser Gepäck verstaut ist und alle ihren Sitzplatz haben. Hinter uns eine Gruppe fluchender Chinesen.

Wir lassen die Stadt und den Regen hinter uns und fahren hinauf in die Berge. In steilen Kurven kommen wir unserem Reiseziel näher. Haben hier vor zwei Tagen noch Sonnenschein und 30 Grad geherrscht, begrüsste uns der Berg mit dichtem Nebel und einer Decke aus Neuschnee. Wir bezogen unsere Räume im Hotel. Da uns das erste Hotel nicht sonderlich gefiel, verteilten wir uns auf zwei andere. Nach dem Abendessen üben wir noch zwei Stunden Tuishou. Anschliessend ging ich früh schlafen, denn am nächsten Morgen um 5.30 Uhr begann das Morgentraining.

3. Tag: Sonne und Mond

Verschlafen aber gespannt auf das Training versammelten wir uns zu besagter Zeit auf einer Trainingsplattform. Der Vollmond spendete uns genug Licht, dass wir den Zauber dieser Landschaft erleben konnten. Vor uns lag ein kleines in Nebel getauchtes Tal, Umrisse und Schatten liessen links und rechts Tempel erahnen. Auf den Fernen Gipfeln glitzerte der Schnee im Mondschein.

Wir wärmten uns auf und begannen unser zweistündiges Qigong-Programm. Der Mond versank hinter den Bergen und in unserem Rücken wurde es heller. Die Sonne zog ihre Bahn und füllte das Tal mit Licht und Leben. Um 7.30 Uhr beendeten wir das Frühtraining und gingen zu unserem wohlverdienten Frühstück. „Es gibt nichts besseres, als den Tag mit zwei Stunden Qigong zu beginnen,“ sagte ich mir. „Das muss ich zuhause unbedingt weiterführen.“ Das habe ich zuhause dann natürlich nicht mehr gemacht. (Der geneigte Leser, die geneigte Leserin ist hiermit herzlich eingeladen, mich wochentags um fünf Uhr aus dem Bett zu klingeln, und mit mir zu trainieren.)

Zum China5_SRFrühstück gab es Nudelsuppe und gedämpfte Reisbällchen. Einige vermissen Brot und die weiteren europäischen Frühstücksingredienzien. Ich hingegen bin vom ersten Schluck begeistert von der Nudelsuppe. Ich möchte nie wieder etwas anderes zum Frühstück essen. Müssig zu erwähnen, dass ich mir, seit ich aus China zurück bin, kein einziges Mal Nudelsuppe zum Frühstück zubereitet habe. Und weil es sich in China so gehört, gebe ich mir keine Mühe, Geräusche während des Essens zu unterdrücken. Schliesslich soll auch der Koch in der Küche hören, dass es mir schmeckt. Vom Nebentisch blickte eine Gruppe Chinesen erstaunt zu mir hinüber; offensichtlich kennen sie sich mit den chinesischen Tischmanieren nicht so gut aus wie ich.

Nach dem Frühstück ging das Training weiter. Die Sonne lässt den Schnee schmelzen, ein Teil der Gruppe übt Xingyiquan, der Rest der Gruppe beginnt, die Prinzipien der Wudang-Schwertkunst zu erlernen. Während des Trainings taucht ein alter chinesischer Mann in Daoistischer Mönchskluft auf, in der einen Hand ein langes Schwert, in der anderen Hand eine schwere Eisenkette. Ob wir Gongfu trainierten, erkundigte er sich. Er könne auch ein bisschen Gongfu. Zum Beweis streckt er sein rechtes Bein in die Luft, so dass er damit sein Ohr berühren konnte. Wir waren beeindruckt von der Beweglichkeit dieses alten Manns. Er war lange Zeit daoistischer Mönch und verdient seinen Unterhalt jetzt als reisender Artist. Er gewährt uns eine Kostprobe seiner Fähigkeiten am Schwert und der Kettenpeitsche.

Der gestrige Schnee ist inzwischen Schnee von gestern. Während die Nachmittagssonne ihm den Rest gab, erholten wir uns vom Morgentraining und liessen uns von den Sonnenstrahlen verwöhnen. Am Nachmittag besuchen wir einen nahe gelegenen Tempel. Während ich staunte und dachte, dass hier alles wie in einem Gongfu-Film aussieht, erfahre ich, welche Filme hier bereits gedreht wurden. Ehrfürchtig blieb ich vor der Stelle stehen, an der die Frau in Karate Kid 4 die Kobra beschworen hat.SONY DSC

Unser Abendtraining fand auf dem Dach des Hotels statt. Und wieder war er da, unser alter Bekannter, der Mond. Sein Licht lässt den letzten Schnee auf den Gipfeln und die Klingen unserer Schwerter funkeln. Erschöpft legten wir uns in unsere Betten. Wir ahnen bereits, dass wir die Erholung gut gebrauchen können.

4. Tag: Die Nadel auf dem Purpurwolkenpalast

Am zweiten TagChina6_SR in Wudang steht ein ganztägiger Ausflug auf den Purpurwolkenpalast auf dem Programm. Seit einigen Jahren fährt eine Seilbahn direkt zum Tempel. Die meisten von uns entscheiden sich jedoch für den traditionellen Weg über die 12’003 Stufen, durch die drei Himmelstore hindurch. Oben angekommen erkenne ich, dass sich jede einzelne Stufe gelohnt hat. Das imposante Tempelkloster fügt sich pittoresk in den steilen Berghang hinein. Vom obersten Punkt aus haben wir eine unbeschreibliche Sicht auf die Gipfel um uns.

Hinunter nehmen wir die Seilbahn und fahren mit dem Linienbus zurück zum Hotel. Unterwegs hält der Bus an: Er müsse hier einen längeren Halt machen, er empfiehlt uns, bis dahin in einem nahen Laden Tee zu kaufen. Wir vermuten, der Laden gehört einem Verwandten. Wir lehnen dankend ab und bleiben sitzen. Nach kurzer Zeit fährt er weiter.

5. Tag: Wasser und vier weitere Elemente

Da wir den ganzen gestrigen Tag ausser dem Frühtraining nicht trainiert haben, widmen wir uns heute den ganzen Tag unserem Gongfu. Am Nachmittag spüre ich meine Glieder. Ich empfinde grossen Respekt für Ismet und seine Schüler, die jeden Tag so trainieren, teilweise für mehrere Jahre.

Nichts in der Welt – ist nachgiebiger und weicher als Wasser
doch nichts – ist besser um Hartes und Starkes zu überwinden
dank dem was es nicht ist – gelingt es ihm leicht
Das Weiche überwindet das Harte – das Schwache überwindet das Starke
Obwohl jeder es weiß – handelt keiner danach
Der Weise sagt:
Wer das Unheil auf sich nimmt – vermag das Land zu regieren
Wer das Unglück auf sich nimmt – vermag die Welt zu regieren – oft klingt die Wahrheit widersinnig“
Laozi, Tao-Te-King, 78 Kapitel

Am Abend lernen wir Viktor, das ist sein Namen, mit dem er sich Ausländern gegenüber vorstellt, kennen. Er betreibt ein daoistisches Zentrum und hat eine eigene Gongfu-Schule. Die Trainingsplattform und die Trainingshalle gehören ihm. Mit zahlreichen Anekdoten erzählt er uns, was für ihn Daoismus bedeutet und was gemeint ist, wenn Daoisten sagen, „die höchste Güte ist wie Wasser“.
6. Die Biene am Stachel packen

SAMSUNGAm heutigen Tag trainieren wir ein letztes Mal in Wudang. Am Nachmittag besuchen wir den Bienendaoisten. Er ist seit einigen Jahrzehnten Daostischer Mönch in Wudang. Seit über zehn Jahren wohnt er abgeschieden in einer Höhle, wo er ein paar Bienenvölker bewirtschaftet. Der Legende nach zog sich Xanwu, der auch dunkler Krieger und der nördliche Kaiser genannt wird, in diese Höhle zurück um zu meditieren und Unsterblichkeit zu erlangen. Jahrelang sass er in dieser Höhle ohne zu essen und zu trinken. Bambus wuchs durch seine Füsse und Vögel nisteten in seinen Haaren. Am Ende fuhr er in einem vom fünf Drachen gezogenen Wagen zum Himmel auf. In seiner Höhle stand ein Altar für Xanwu. Wir standen davor, verneigten uns. Ich überreichte ihm eine Tafel Schokolade. Er freute sich und ich wusste, er würde sie dem nächsten Besucher schenken. Er überreichte jeden von uns ein Amulett und ein Gebäck. Das Gebäck erinnerte mich an Bündner Nusstorte. Stets lächelnd beantwortete er unsere Fragen. Ich war beeindruckt, wie viel Lebensfreude dieser alte Mann ausstrahlte.

Bevor wir mit dem Bus nach Wudang City fahren, feilschen einige das letzte Mal um eine Packung getrocknete Früchte, oder um ein Trainingsschwert für zuhause. Man kennt uns langsam, die Preise nähern sich langsam dem, was ein einheimischer bezahlen würde. Wir übernachteten in der Schule von WDP in Wudang City.

Exkurs: Toiletten

Die Chinesen scheinen ein überaus geselliges Völkchen zu sein. Beim Essen, wie auch bei allen darauf folgenden, mit dem Stoffwechsel und Stoffwechselendprodukten verbundenen Körperfunktionen. So war es auch bei meinem ersten Besuch eines öffentlichen stillen Örtchens alles andere als still. Es war auf einer Raststätte auf der Fahrt von Xiangyang nach Wudang. Eine riesige Raststätte, auf der dutzende Fernfahrer alle das gleiche wie ich vorhatten.

Chinesische Toiletten, das sind meistens Löcher im Boden, links und rechts davon eine gerillte Fläche für die Füsse, damit man nicht ausrutscht. Das wusste ich, darauf konnte ich mich psychologisch vorbereiten, auch habe ich mir im Vorfeld von zahlreichen hygienischen Vorteilen gegenüber Stuhltoiletten erzählen lassen. Womit ich nicht gerechnet habe war die Tatsache, dass chinesische Toiletten keine Tür haben, nur Seitenwände. Ich suchte mir ein Loch möglichst weit hinten aus überwindete in meiner Not so viele Hemmungen wie mir möglich war.

Später war ich dann sehr froh, gehörte ich zum Teil der Gruppe, die das Essen gut vertrug und unvermeidliche Körperfunktionen der gegenwärtigen sanitären Situation anpassen konnte. Ich erleichterte mich nur noch im Hotel.

7. Tag: Goldener Drachen fliegt nach Norden

China8_HEAm nächsten Morgen standen wir um vier Uhr auf, ein Bus fuhr uns die zwei Stunden zurück zum Flughafen. Ich esse ein Mantou, gedämpftes Brot, welches die Köchin für uns zubereitet hatte. Sie musste wohl um zwei oder drei aufgestanden sein. Es schien ihr, der Köchin, die gestern jeden von uns mit „A mi tuo fo“, möge Buddha mit Dir sein begrüsst hat, eine grosse Freude zu sein, für uns Frühstück zuzubereiten. Während wir unsere Taschen mit Mantous und hart gekochten Eiern füllen steht sie daneben und strahlt über das ganze Gesicht. Obwohl ich mich auf Peking freute, vermisste ich Wudang schon jetzt.

Wir landeten in Peking. Der Himmel in Peking erinnerte an blauen Himmel. Es war wohl das, was die Smoggeplagten Einwohner Pekings als schönes Wetter bezeichneten. Die Taxis, die uns am Flughafen abholten, quälten sich durch den endlosen Verkehr in Richtung Hotel. Die Häuser entlang der Autobahn zeugten von der Modernisierung Chinas. Wäre nicht die chinesische Leuchtreklame gewesen, wir hätten uns in jeder Metropole der Welt befinden können.

Das Gästehaus, in dem sich auch Yao mit seiner Schule eingemietet hatte, befand sich zentral im zweiten Kreis von Peking. Das Hotel war einfach aber liebevoll eingerichtet. Ich war gespannt auf die Schule Yaos. Dem berühmten Yao, von dem ich schon so viel gehört habe. Die Schule bestand aus einem Trainingsraum mit Platz für etwa 30 Personen und einem kleinen Büro. Nichts darin erinnerte an die mystischen Tempel, in denen die Helden der Kung Fu-Filme ihre übernatürlichen Techniken erlernen. Ein Teil der Wände des Trainingsraums waren mit Matten ausgekleidet. Später sollten wir erfahren, weshalb. Bei schönem Wetter wird auf dem Dach trainiert.

Dorthin gingen wir nun auch. Einige aus der Gruppe hatten dort auch schon eine Überraschung für Helen vorbereitet. Helen feierte am heutigen Tag einen runden Geburtstag (sie wurde 23). Da sie schon seit längerem von einem Geburtstagsfest mit einer Piñata träumt, haben wir ihr eine Piñata gebastelt. Im Anschluss gingen wir Essen. Wir speisten wie die Fürsten, bezahlten jedoch deutlich weniger.

Gestärkt von diesem Essen fuhren wir zur Vergnügungsmeile am Houhai-See, wo wir uns in das Pekinger Nachtleben stürzten. Zuvorderst unsere Geburtstagsprinzessin, die Krone aus Karton stets auf ihrem Haupt balancierend. Der Kontrast zwischen dem Restaurant von vorhin und dieser Ausgangsmeile war gross. Während wir im Restaurant die einzigen Langnasen waren, bemüht man sich hier um ein möglichst internationales Flair (in einer englisch beschrifteten, nach einem belgischen Comic benannten Bar lauschte ich einer Brasilianerin, die einen amerikanischen Folksänger coverte). Auch die Preise waren sehr international. Das Bier kostete 70 Yuan, rund fünf Franken. Ein chinesischer Wanderarbeiter müsste für ein Bier einen halben Tag arbeiten. Ich frage mich, was die Chinesen, die hier feiern, von Beruf sind. Keiner sah aus wie ein Wanderarbeiter.

8. Tag: Peking-Form

SAMSUNGAn unserem zweiten Tag in Peking begann das Training bei Yao. Um neun Uhr! Nach dem Training in Wudang genossen wir das Ausschlafen. Wir stehen auf dem Dach. Von oben betrachte ich unseren Wohnhof und die engen Gassen darum herum. Ich empfinde eine gewisse Bewunderung für das Improvisationstalent der lokalen Bauwirtschaft.

Yao ist ein etwa zwei Kopf kleiner als ich, Mitte sechzig; stets herzlich und fröhlich. Ich bin beeindruckt von seinen Fähigkeiten. Der Übersetzer gibt sich Mühe, möglichst viel von Yaos Erläuterungen ins englische zu übersetzen. Meist wäre dies gar nicht nötig gewesen. Yao hat eine wunderbare Art, mit seiner Mimik und mit Gesten zu erklären. Obwohl er chinesisch spricht verstehe ich sehr viel seiner Anweisungen.

Ich bin mir das viele Trainieren nicht gewohnt und bin noch erschöpft von der letzten Woche. In Peking trainieren wir Yiquan; ein Stil mit vielen sich wiederholenden Bewegungen.  So sind wir nach zwei Stunden auch froh, zum Ausgleich Sightseeing betreiben zu können. Zum ersten Mal seit wir in Basel abgeflogen sind, sind wir für eine längere Zeit nicht alle zusammen unterwegs. Ich schliesse mich einer kleinen Gruppe an, welche die verbotene Stadt besichtigt und eine Exilschweizerin mit Schokolade versorgen möchte.

Am Tian’anmen steigen wir aus der U-Bahn aus. Dem grössten befestigten Platz der Welt. Hinter uns liegt ein berühmter Vorsitzender in seinem eigenen Mausoleum, auf der anderen Seite des Platzes die verbotene Stadt. Sogar der monumentale Eingang in die verbotene Stadt wirkt klein auf diesem riesigen Platz. Erst wenn man sich der verbotenen Stadt nähert, werden einem die Dimensionen des alten Kaiserpalastes bewusst. Wir passieren die zahlreichen Plätze im inneren der verbotenen Stadt und lassen die Dimensionen auf uns einwirken. Die Toiletten in der Mitte der verbotenen Stadt waren gerade nicht in Betrieb. Dadurch fühlte sich für mich der Weg durch die verbotene Stadt noch viel länger an.

Abends gingen wir gemeinsam essen. Anschliessend machten wir uns mit einem isotonischen Sportlergetränk in der Lobby unseres Gästehauses gemütlich und liessen den Abend ausklingen. Bis niemand mehr einen Witz zu erzählen wusste.

9. Tag: Lotusblume wiegt sich im Wind, mit 90 Prozent Rabatt

Wie jeder Tag in Peking beginnt auch dieser mit der Frage, was soll ich frühstücken? Gestern hat jemand aus unserer Gruppe eine Bäckerei mit richtigem Brot entdeckt. Auch heute pilgert eine Schar Europäer zu dieser Bäckerei. Mir schmeckt das Brot dort nicht; zu süss und zu weich. Ausserdem möchte ich mich wie ein verwegener Abenteurer fühlen. Ich beschliesse, chinesisch zu frühstücken. Gestern gab es Baozi, gefüllte und gedämpfte Teigtaschen, zu 30 Rappen das Stück von der Garküche am Strassenrand. Baozi sind wie eine Schachtel Pralinen. Köstlich, aber man weiss nie was man kriegt.

Ich schlendre der Strasse entlang, mache einen Bogen um die mobilen Grills, vorbei an Läden mit nur wenig Kundschaft. Ich finde einen Laden mit zahlreicher einheimischer Kundschaft. Ein gutes Zeichen. So stehe ich dann in diesem Laden, um mich herum zahlreiche schlürfende und schmatzende Chinesen, mich beobachtend. Vor mir eine skeptisch lächelnde Angestellte. Ich fühle mich allein unter 1,344 Milliarden Chinesen. Eine gute Gelegenheit, meine gelernten Brocken Mandarin zu benutzen. Fazit: Entweder verstehen die drei Frauen hinter der Theke kein chinesisch oder ich kann es nicht. Unter grossem Einsatz meiner Hände erhalte ich, was ich bestellt habe. Oder etwas ähnliches. Egal, die Suppe, das frittierte Brot und die Baozi munden ausgezeichnet und kosten mich sechzig Rappen. Für die nächsten Tage wird dies mein Frühstückslokal.

Gestärkt vom Frühstück (und den isotonischen Sportlergetränken des gestrigen Abends), beginnen wir mit dem Training. Ungewohnt für mich ist, dass Yao keine fixen Trainingszeiten mit Beginn und Schluss hat. Er ist tagsüber anwesend und unterrichtet. Seine Schüler kommen und gehen zu unterschiedlichen Zeiten. Einige tragen Trainingskleider, andere gehen nachher zur Arbeit und trainieren im weissen Hemd.

Gemeinsam besuchen wir den idyllischen Sommerpalast. Von dort aus fuhren wir mit Taxis in die Nähe der Sportuniversität, weil es dort eine Strasse mit zahlreichen Wushu-Läden gäbe. Wir finden die Strasse mit fünf oder sechs nebeneinander liegenden Läden mit Kampfkunstartikel. Hier findet man alles, was das Kampfkünstlerherz höher schlagen lässt: Waffen, Kleidung, Schlagpratzen, Schuhe und vieles mehr. Während ich nach neuen Trainingsschuhen Ausschau halte, lerne ich, dass sich im Land des Gongfu’s koreanisches Taekwondo grösster Beliebtheit erfreut. Ich finde ein schönes Paar Schuhe und frage nach einem Paar in Grösse 45. Eine grosse Herausforderung in China. Die Verkäuferin bleibt freundlich. Sie findet Schuhe in meiner Grösse, die auch mir gefallen. Ich bin zufrieden und die Verkäuferin auch.

Einige waren gestern schon auf dem Nachtmarkt. Da möchte ich heute hin. Nachtmarkt ist ein bisschen übertrieben. Der Nachtmarkt schliesst um 22.00 Uhr, die meisten Läden in Peking um 21.00 Uhr. Der Markt ist kleiner als ich ihn mir vorgestellt hatte.

Er ist bekannt für die frittierten Insekten, Schlangen, Seepferdchen und Spinnen, die man dort essen kann. Einheimische sehe ich vor den Essensständen keine, die Snacks scheinen mir vor allem eine beliebte Mutprobe für Touristen zu sein. Ich brauche keine Mutproben um zu wissen, dass ich ein Feigling bin. Ich verzichte. Nachdem alle bestellten Schlangen und Skorpione verspiesen wurden, stürzten wir uns in das Gewusel. Auf dem Nachtmarkt gilt die Faustregel, wenn Du nicht mindestens 90 Prozent Rabatt aushandelst und der Verkäufer bei der Übergabe der Ware in Tränen ausbricht, hast Du viel zu viel bezahlt.

Exkurs: Auszug aus dem Lexikon des Feilschens

Anfänger, der
Konnte eine Vase von 500 auf 15 Yuan herunterhandeln und glaubt, ein gutes Geschäft gemacht zu haben.

Bauchschmerzen, die
Wird ein (natürlich viel zu hoher) Preis genannt, täuscht der Käufer spontan Bauchkrämpfe vor. Ein guter Käufer hat wirklich Bauchschmerzen. Er signalisiert damit, dass er nicht zufrieden ist mit dem Preis.

Divide et Impera.
Hat der Käufer ein überteuertes Ding für 400 Yuan gekauft? Dann geht dieser zum nächsten Händler, der das selbe Produkt verkauft und erklärt ihm, dass er dieses Produkt gerade für 25 Yuan gekauft hat. Der Verkäufer wird es ihm für 24 Yuan anbieten. Und 424 Yuan für zwei Stück ist ein guter Preis.

Familie, die
Jeder Verkäufer hat eine Frau (siehe unter X), zwölf Kinder, 144 Enkel und mindestens fünf todkranke Grosseltern, die er ganz alleine ernähren muss. Dies gilt es unbedingt beim Preis miteinzuberechnen.

Geschenk, das
Hat man sich auf einen Preis geeinigt und der Käufer legt zum erworbenen Gegenstand noch ein kleines Geschenk dazu, bedeutet dies, dass man viel zu viel bezahlt hat. Einige Verkäufer machen dies aus Mitleid mit dem geprellten Käufer, andere als Signal an die anderen Verkäufer: Seht her, was ich ihm geschenkt habe, ich habe ihm ausgenommen wie eine Weihnachtspekingente. Bei ihm habt ihr leichtes Spiel. Quasi eine Narrenkappe für naive Langnasen.

Gewalt, die
Zumindest an einigen Ständen am Nachtmarkt ein probates Mittel des Verkäufers, darauf hinzuweisen, dass die Preisvorstellung des Käufers weit unter seinen Vorstellungen liegt. Üblicherweise zeigt sich diese Form des Feilschens in Form von sanften Schlägen auf den Oberarm. Der geübte Käufer schlägt zurück und signalisiert damit, dass er seine Preisvorstellung sehr wohl für realistisch hält. Wobei es eine Gratwanderung ist, wo Feilschen aufhört und wo Körperverletzung beginnt.

Original, das
Es ist eine Fälschung.

Partner, der
Ein Partner berät beim Kauf. Er sucht (und findet in jedem Fall) Mängel am Produkt. Wichtig ist, dass die Körpersprache stets ablehnend ist. Auch wenn man das Produkt kaufen würde; man winkt ab und ist ungeduldig, der Blick bleibt immer skeptisch.

Spuken, das
Hat nichts mit Feilschen zu tun, verdient aber in jedem chinesischen Lexikon einen Ehrenplatz.

Wollen, das
Der grösste Fehler überhaupt ist es, um ein Produkt zu feilschen, dass man wirklich haben möchte. Sonst bezahlt man zu viel. In diesem Fall empfiehlt es sich, sich das Produkt von einem -> Partner kaufen zu lassen.

Xanthippe, die
Wäre auf dem Nachtmarkt eine sehr erfolgreiche Geschäftsfrau.

Zermürbung, die
Sich stundenlang alle Varianten eines Produktes zeigen lassen, immer etwas finden, mit dem man unzufrieden ist. Nach drei Stunden ist auch der härteste Verkäufer zahm. Er möchte den Käufer nur noch loswerden und gibt ihm den Aschenbecher für den von ihm gewünschten Preis.

10. und 11. Tag: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu besichtigen.“
Walter Ulbricht

Da wir am Mittwoch einen ganztägigen Ausflug zur grossen Mauer geplant hatten, trainierten wir am Dienstag den ganzen Tag. Abends fuhr ich in ein altes, grösstenteils noch erhaltenes Quartier. Ein Teil der Gebäude sahen verdächtig nach auf alt getrimmten Neubauten aus. Es tummelten sich viele Touristen in den zahlreichen Souvenirläden.

Am nächsten Morgen brachen wir nach dem Frühstück auf, fuhren in einem kleinen Bus die zwei Stunden zur grossen Mauer. Wir fuhren durch die äusseren Bezirke Pekings. Dabei wurde mir wieder bewusst, wie gross diese Stadt doch ist. Zu unserer Linken sahen wir ein riesiges Vogelnest und allerhand weiterer sonderbarer Gebäude. Der Fahrer sah aus wie Kim Jong-Un. Überhaupt sahen alle männlichen Chinesen entweder aus wie Kim Jong-Un, Jackie Chan oder Meister Miyagi.

Beim Mittagessen tischte man uns Touristen nebst den traditionellen Pekinger Gerichten einige kantonesische (südchinesische) Spezialitäten auf. Hier schmeckte das chinesische Essen wie in den Chinarestaurants zu Hause.

Danach fuhren wir mit dem Sessellift den Berg hinauf zu der grossen Mauer. Wir schossen zahlreiche Gruppenfotos. Nachdem alle Speicherkarten voll und die Akkus leer gewesen waren, überlege ich mir, ob ich nach links oder nach rechts laufen soll, für die 21’196 Kilometer reicht es heute nicht. Die Mauer und die Festungsanlagen sind gross und eindrücklich, die Wege oft steil. Auch wenn ich weiss, wie gross die Befestigungsanlagen sind, bin ich überwältigt, in den weit entfernten Bergen den Mauerverlauf zu sehen.

Zurück fahren wir nicht im Sessellift, sondern auf einer Rodelbahn. Zahlreiche Schilder am Streckenrand ermahnen daran, langsam zu fahren. Dann wird das eine sehr gefährliche Strecke sein, denke ich mir. Oder ein Schilderfabrikant hat beim Bau der Rodelbahn die richtigen Leute bestochen.

Bei der Sessellifttalstation hat es zahlreiche Stände. Ich kaufe für meine Nichte einen wunderschönen, seidenen Yifu (Einen Trainingsanzug, den sie später liebevoll Pijama nennen wird). Den Preis kann ich dank meinen zähen Verhandlungen von 500 auf 15 Yuan reduzieren und erhalte als Geschenk sogar noch eine Handtasche, ein Modell, welches auch meiner Grossmutter sehr gefallen hätte. Ich erinnere mich an die Schlagworte Anfänger und Geschenk aus dem Handbuch des Feilschens und nehme es mit Humor. Stolz stelle ich meine Narrenkappe zur schau, an diesen Ständen kaufe ich jedoch besser nichts mehr.

Kim Jong-Un fährt uns für chinesische Verhältnisse erstaunlich sicher zurück in die Stadt. Wir fahren direkt zum Silk Street Market, einem grossen Kaufhaus mit zahlreichen kleinen Ständen. Ich versuche mein Pech mit dem Yifu wieder wett zu machen und kaufe ein Fahrradlicht für 30 Rappen.

Der Silk Street Market schliesst. Mit der U-Bahn müssten wir mehrmals umsteigen, so beschliessen wir, ein Taxi zu nehmen. Der erste Taxifahrer verlangt 150 Yuan, das fünffache von dem, das wir als realistischen Preis erachten und das 75-fache, was eine U-Bahnfahrt kosten würde. Wir fragen den zweiten Taxifahrer. Nach einem kurzen chinesischen Wortwechsel zwischen den beiden Taxifahrern verlangt dieser den selben Betrag. Ein Fahrer dieser dubiosen, dreirädrigen „Elektrotuktuks“ beobachtet die ganze Szene und bietet uns an, uns für 120 Yuan zu fahren. Immer noch viel zu teuer, doch in teuer ist schon zur Hälfte das Wort Abenteuer enthalten. Also steigen wir ein.

Die Taxifahrer und unser Tuktukfahrer wechseln einige unfreundlich klingende chinesische Worte, dann schlängeln wir in unserer ungefederten, klappernden Kiste zwischen den Autos durch. Die Fahrt scheint ewig zu dauern, Spass macht es trotzdem, die Stadt aus dieser Perspektive zu erleben. Nach dem der Fahrer schon fünf Mal nach dem Weg gefragt hat und uns zweimal am falschen Ort abladen wollte, erreichen wir endlich unser Gästehaus. Nun verlangt der Fahrer plötzlich 120 Yuan pro Person. Wir weigern uns, zu bezahlen. Er zeigt uns einen englischen Zettel, auf dem steht, wie viel eine Standrundfahrt bei im kosten würde. Er nimmt sein Telefon vor und telefoniert mit jemandem. Eine Taktik, die ich später auch auf Youtube-Videos über Pekinger Tuktukfahrer beobachten werde. Wir wenden alle erworbenen Techniken des Feilschens an. Wir lachen ihn aus, wir beschimpfen ihn, wir laufen davon ohne zu zahlen, wir sagen ihm, er soll die Polizei rufen. Wir einigen uns auf 160 Yuan, welche wir ihm unter lauten Verwünschungen in die Hand drücken und freuen uns dabei insgeheim ein echtes Peking-Erlebnis gehabt zu haben.

Zum Abendessen gehen wir in ein kleines koreanisches Restaurant, welches uns empfohlen wurde. Wir scheinen die ersten Europäer zu sein, die diese Lokalität betreten. Ein junger, sichtlich aufgeregter Kellner überreicht uns ein Speisekarte auf chinesisch. Mit einem Übersetzungsprogramm auf seinem Handy versucht er uns zu erklären, was auf der Speisekarte steht. Wir verstehen seine Aussprache nicht. Er zeigt uns die englische Übersetzung auf seinem Handy. Wir bestellen also „Gemüse“, „Reis“, „Huhn“, „Schwein“ und „Kuh“ und bekommen hauptsächlich kleine Fleischspiesse, welche wir unter Beobachtung der anderen Gäste verspeisen. Ein besonders teurer Eintrag bei den Fleischspiessen auf der Speisekarte hat uns der Kellner nicht übersetzt.

12. Tag: Teetassenübung

China10_UHDen heutigen Tag begannen wir um fünf Uhr morgens. Frühmorgens trifft man in den Parks chinesischer Städte zahlreiche Menschen, mehrheitlich Rentner, beim Sport treiben an. Wir lösten in einem der grösseren Parks eine Eintrittskarte und spazieren den Alleen entlang. Hier wird Badmington gespielt, Taiji und Bagua geübt, vereinzelt sieht man auch Menschen mit Schwertern und Säbeln hantieren. In einer Ecke des Parks steht ein Gerätepark, mit Geräten um die Kraft und Beweglichkeit zu trainieren. Etwa fünfzig ältere Chinesinnen und Chinesen trainieren an den Geräten. Die meisten scheinen sich zu kennen. Ich sehe Menschen, vierzig Jahr älter aber trotzdem beweglicher als ich es jemals war oder sein werde. Wir fahren zurück zum zweitletzten Training in China.

Nach dem Training nutze ich die Zeit bis zum Abendessen, um die kleinen Gassen rund ums Gästehaus zu erkunden. Angeblich soll es hier einen von Blinden betriebenen Massagesalon geben. Wir schlendern durch die kleinen Gassen, vorbei an einer iranischen Bäckerei (hier esse ich das beste Brot ganz Chinas), und finden einen grossen Einheimischenmarkt. Es macht Spass, um eine Handvoll Früchte zu feilschen. Hier kaufe ich die letzten Souvenirs, trinke mich in einem Laden durch das Grünteesortiment. Mit vollen Einkaufstaschen und einer vollen Blase verlasse ich den Markt.

Den Massagesalon finde ich zum Schluss auch noch. Es ist ein kleines Lokal mit gerade genug Platz für die drei Massageliegen und die drei Masseure. Davor sitzt ein Sehender, der das Geld einkassiert. Ich gebe ihm das Geld und lasse mir die Füsse massieren. Anschliessend schwebe ich zurück ins Gästehaus. Zumindest fühlt es sich so an.

Mein Trainer Patrick wird heute bei Yao seine „Bai Si“-Zeremonie haben. Damit wird die Schüler-Meister-Beziehung besiegelt, eine grosse Ehre für ihn. Wir treffen uns am Abend im Trainingsraum. Zahlreiche Schüler von Yao Chengrong und seines Vaters sind auch anwesend. Da Patrick 17 Personen, die ganze Reisegruppe, eingeladen hat, darf Yao mindestens gleich viele Personen einladen. Es wurde ein kleiner Altar mit Fotos von Yao Chengrongs Vater und anderen verstorbenen Yiquan-Meistern aufgestellt. Patrick verneigt sich vor den Ahnen, gibt ihnen Zigaretten und vom besten Schnaps. Er zündet die Zigaretten an und legt sie in einen Aschenbecher auf dem Altar. Den Schnaps verschüttet er auf dem Boden. Er verneigt sich vor Yao und sie trinken gemeinsam Tee.

Es werden Geschenke ausgetauscht, Patrick erhält eine Fahne mit chinesischen Schriftzeichen, von denen der Übersetzer sagen wird: „It’s difficult to translate, but it has a good meaning.“ Wieder werden zahlreiche Gruppenfotos geschossen, bevor wir ins Restaurant gehen.

Als langjähriger Yiquan trainierender, darf ich mich an den Ehrentisch setzen. Ich schenke mir Tee ein. Stefan, der neben mir sitzt, bestellt ein Bier, denn er weiss noch nicht, was auf ihn zukommen wird. Bei Geschäftsabschlüssen und anderen wichtigen Anlässen und Zeremonien wird traditionell mit Alkohol angestossen. Von den Anwesenden wird auch eine gewisse Trinkfestigkeit erwartet. Unsere Gläser werden mit Schnaps gefüllt, wobei der teure Schnaps bei den Ahnen gelandet ist, Yao Chengrong als Ehrengast spricht einige freundliche Worte, gefolgt von einem „Ganbei!“. „Ganbei!“, rufen die Eingeweihten zurück. Ganbei heisst leeres Glas und ist durchaus als Aufforderung zu verstehen. Wir leeren unsere Gläser. Dabei denke ich wehmütig an die Ahnen. Die sind jetzt an einem besseren Ort. Oder haben zumindest den besseren Schnaps.

China11_UHWas nun folgte, gilt in China als sehr höflich. Wir statteten jedem Tisch einen Besuch ab, jemand hielt eine kurze Ansprache, gefolgt von einem „Ganbei!“. Der besuchte Tisch wollte nicht unhöflich sein und stattete ersterem einen Gegenbesuch ab. Ansprache. „Ganbei!“. Wir essen etwas und besuchen den nächsten Tisch. „Ganbei!“. Soweit es uns möglich ist, machen wir bei diesem Ritual mit. Einige verschütten einen grossen Teil des Inhalts ihrer Gläser. Ist das eine List oder bloss eine Folge des Schnaps? Egal, wir kämpfen weiter. Auf beiden Seiten gibt es grosse Verluste. Ich glaube, ich bin verwundet, ohne mich werdet ihr es schaffen, ich erlebe mein Verdun. Ganbei!

13. Tag: Wie versiegelt so verschlossen

Unser letztes Training begann auch an diesem Tag pünktlich um neun Uhr. Wir alle waren rechtzeitig anwesend und wach. Ich versuchte noch möglichst viel vom Training bei Yao Yue, dem Sohn von Yao Chengrong zu profitieren. Nach dem Training fuhren wir zum grössten Lama-Tempel ausserhalb Tibets. Hier wurde nicht mehr gespuckt als dies in China üblich ist. Unseren letzten Chinaabend verbrachten wir gemeinsam in einem Hot Pot-Restaurant.

14. Tag: Schluss

Wir entschwebten der grossen Smogglocke, winkten ein letztes Mal zurück nach Peking, bevor unser Flugzeug über die endlosen Mongolischen Steppen zog.

 

 

Weiterführende Links

Patrick Jeannotat    http://www.ningmui-basel.ch
Yao Chengrong    http://zywg.gong-fu.eu/en/cya/
Ismet Himmet   http://www.wudang-temple.com
Interview mit Ismet Himmet   http://www.ningmui-basel.ch/medien/texte
Yiquan Schweiz   http://www.yiquan.ch

Fotos: Philipp Brugger, Helen Ettlin, Urs Herzog, Florian Schläfli

 

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Datum: Donnerstag, 3. Oktober 2013 9:00
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